Berthold Ecker
Einführung (zur Ausstellung "Anacalypse")

Der erste Eindruck von dieser Ausstellung legt es nahe, und ich glaube es ihnen verraten zu dürfen: Armin Bardel ist kein schnell entschlossener, impulsiv zupackender Mensch. Seine hohe Intellektualität ermöglicht ihm jederzeit die Komplexität eines Phänomens in all seinen möglichen Verstrickungen weitestgehend auszuleuchten. Man könnte sagen, er ist ein Tüftler, ein besonnener Forscher im Feld des eigenen Seins, der nicht imstande ist, Ruhe zu geben, bevor er einem Thema bis auf den Grund gegangen ist. Will also heissen: er sondiert, nimmt zur Kenntnis, kombiniert und schlussfolgert, bezieht dabei aber kaum einmal wertende Positionen. Er verzichtet darauf, aus den vielen Möglichkeiten, die sich aus seinem künstlerischen Denken ergeben, richtige von falschen, gute von schlechten im Gestalten zu trennen. Daraus mag sich der Reichtum seiner künstlerischen Artikulationsmöglichkeiten erklären.

In dieser Grundhaltung ist aber auch eine Bürde enthalten: Die schnelle Kennbarkeit einer künstlerischen Sprache, die Zuordenbarkeit und einfache Rezeptionsmöglichkeit wie sie vom Diktat des Kunstmarktes gefordert werden, damit sich die Ware möglichst profitabel gestaltet, ist seinem Wesen völlig gegensätzlich. Auch der Versuch, auf den Künstler von Aussen in besagtem Sinne klärend einzuwirken, und ihn dazu zu bewegen, die selbstverständlich vorhandenen Strukturen seines Werkes deutlicher hervorzustreichen, kann nur folgenlos bleiben. Gerade eben Komplexität, Vielschichtigkeit und Vielgestaltigkeit sind die Basis seiner Arbeit, und - wenn dies nicht ein Widerspruch in sich ist - so etwas wie seine Corporate Identity.

Zu dieser recht komplizierten Ausgangslage kommt noch der Umstand, dass Armin Bardel als Künstler beileibe kein Anfänger mehr ist, im Gegenteil seit vielen Jahren äusserst fruchtbar arbeitet, und in der Folge das Werk längst über die Ränder des Überschaubaren hinausgewachsen ist. Eine wirklich retrospektive Ausstellung hat es bisher noch nicht gegeben, und daher ist der Betrachter immer wieder darauf verwiesen, einzelne Werkblöcke aufzunehmen, ohne allerdings die Möglichkeit der Positionierung im Oeuvre zu erhalten.

Das Grundprinzip der Polytonalität steht im Werk mit einer - in sich selbst wiederum mehrschichtigen Ironie - in Wechselwirkung. Das Spektrum spannt sich hier vom spöttischen Blick über ein lyrisch - melancholisches Schmunzeln hin zu distanzierter Infragestellung von Phänomenen.

Letztlich bietet auch der Titel der aktuellen Ausstellung einen Hinweis auf die Eigenart des bardelschen Betriebssystems. Mit Anacalypse (das bedeutet soviel wie Wieder-Verhüllung - und ist eine originelle Wortschöpfung) - mit Anacalypse wird automatisch der Bezug zur Apokalypse (das heisst Enthüllung oder Offenbarung) hergestellt. Der Betrachter kommt also in der Erwartung, gewaltige, weltverändernde Dinge vorgeführt zu bekommen. Und so klein und scheinbar alltäglich das Vorgefundene auch scheinen mag, so birgt es doch das Gewaltige in sich, da es die Welt und das Leben an sich sind, die Bardel 'wieder verhüllt'. Die Verhüllung selbst ist allerdings nicht der aktive Part des Fotografen. Verhüllt ist die Welt per se. Nichts entspricht in seinem Wesen vollkommen der Erscheinung, in der es uns gegenübertritt. Das Verdienst Bardels ist es nun, diese Verhüllung in einer Weise sichtbar zu machen, dass tiefere Schichten zum tragen kommen und dem Betrachter ahnbar wird, was sich dahinter verbirgt. Anacalypse wird in diesem Sinn zur Apokalypse, eigentlich ein Paradoxon indem Offenbarung durch Verhüllung geschieht.

Die Vorgangsweise mit der Bardel zu seinen Ergebnissen kommt, ist dabei mit Begriffen wie selektierend, abwartend, beobachtend zu umschreiben. Die Konstruktion von Wirklichkeit als aktiver Eingriff wird gemieden, vielmehr entsteht sie aus dem Kalkül der Sichtweise. Die spezifische Art der Wiedergabe trägt eine Art gedankliches Implantat in sich, das die angesprochene Enthüllung erst ermöglicht.

Aus meiner Sicht ergeben sich also drei Pfeiler, die die künstlerische Position der Fotos von Armin Bardel charakterisieren. Es sind dies
1. die wesenhaft begründete aber programmatisch betriebene Komplexität der künstlerischen Sprache,
2. ein grundsätzlich ironisches Herangehen und
3. das Spiel mit Sein und Schein.

Bardel ist aber nicht nur Fotograf, er arbeit mit den neuen Medien, macht Computergraphik- und animationen genauso, wie er im Bereich der Konzeptart unterwegs ist. Einen wichtigen Werkblock bilden seine Malereien und Zeichnungen, die ebenso wie die Fotos einen ausgeprägten Hang zur Diversifikation verraten. Expressive, psychologisierende Blätter stehen hier neben geometrischen Abstraktionen, mit denen er sich im Wiener Bezugsfeld der Kunstauffassung Kurt Spureys annähert. Weiters ist Bardel einer der originellsten Spurensucher des Landes und hat - unbekannter Weise - mit seinen Tableaus aus toten, mumifizierten Tieren ein enges Naheverhältnis zu dem Dänen John Olsen, der mit fast identen Assemblagen bei der Biennale 1995 in Venedig für einige Aufmerksamkeit sorgte.

Um das Tätigkeitsfeld abzurunden wäre hinzuzufügen, dass es von Armin Bardel auch Arbeiten im Bereich der Angewandten Kunst gibt, ebenso wie er literarisch und musikalisch hervortritt.

Sie sehen, Armin Bardel ist in seiner Gesamtheit schwer zu fassen. Seine Arbeit hat unübersehbar die Tendenz zum Gesamtkunstwerk, von dem heute nur ein kleiner Teil zugänglich ist. Erst mit dem Blick auf das Ganze wird die Komplexität seiner Kunst einsichtig und seine vielgestaltigen Werke als zusammengehörige Äusserungen eines letztlich kompakten Oeuvre-Organismus nachvollziehbar.

Anacalypse exhibit on my work